01 August 2015 bis 25 Oktober 2015

"sculpture - Amberg 2015" Thomas Kühnapfel, Köln

Der Stahlbildhauer Thomas Kühnapfel hat bei Tony Cragg studiert und verdankt seine Materialsicherheit seinem Lehrer, der in den unterschiedlichen Feldern der Bildhauerei zuhause ist. Kühnapfel hat jedoch etwas in die Skulptur eingeführt, was bisher als ganz unmöglich galt, die Verbindung von Stahl und Luft. Natürlich gibt es Stahlskulpturen, die sich im Wind drehen wie bei George Rickey, aber dass die Gestalt einer schwergewichtigen Skulptur durch eingepresste Luft entsteht, ist ein bisher ungehörtes Ereignis. Das Ereignis selbst - was in der fertigen Skulptur kaum nachvollziehbar ist - wirkt als eine grandiose Performance ungestümer physikalischer Kräfte. Die von Kühnapfel verschweißten Platten werden unter Druck wie Ballons aufgeblasen, nur ist der Widerstand des Materials ein anderer als die dünne Gummihaut herkömmlicher Luftballons, allein der Klang dieses eruptiven Events berichtet von den Gewalten, die hier auf ungewöhnliche Weise wirken. Die aus dieser Technik entstandenen Skulpturen  hinterlassen bei dem Betrachter den Eindruck leichter, gefüllter Kissen, die jederzeit auffliegen können. Ihre Weichheit allerdings scheint dem Material zu widersprechen, das Auge sucht vergeblich nach der Lösung dieser eleganten Täuschung. Natürlich verändert sich das Material nicht, allein die tatsächlich durch Pressluft entstandene Form suggeriert Leichtigkeit, wo Schwere noch immer die Skulptur konstituiert. Die auf Sockeln aufgelagerten oder nur ins Gras gelegten Stahlkissen wirken besonders im Freien, in der gepflegten Landschaft eines Parks wie poetische Zeichen, die vielleicht sogar an Manets berühmtes Frühstück im Freien erinnern mögen, zumindest an einen Spaziergang oder aber an hochfliegende Träume eines Sommertags. Kühnapfels Skulpturen entziehen sich der ausbalancierten Schwere etwa von Richard Serras monumentalen Werken, die kaum etwas neben sich dulden. Die „Luftkissen“ Kühnapfels sind ein erstaunlich filigraner Beitrag zur Geschichte der Stahlskulptur. Sie öffnen überraschend ein neues Terrain, was diesem Material kaum abzugewinnen war. Seine Figuren scheinen zu fliegen und sich der Schwerkraft auf eine zauberhafte Weise zu entziehen.
Eugen Blume

Interview mit Thomas Kühnapfel

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