31 Juli 2009 bis 24 Oktober 2009

LUFTGEISTER - Klebebandplastik, Klanginstallation und "Dicke Luft"-Film

von Thomas Bretl aus Salzburg

Herbert Pendler (Kultursoziologe) über Luftgeister:
Dieses Klebebandobjekt, bestehend aus Klebeband, Metallstäben, zerknüllten alten Zeitungen und eingebauten Lautsprechern, ist ohne Luft nicht denkbar.
Es ist umgeben von Luft, nimmt und schließt Luftraum ein und drückt Luft - in erstarrter Form - als Volumen aus. Die dünne Haut des Objektes trennt Lufträume voneinander. Durch die aus ihm dringenen Kläge, die durch Wolfgang Bretl entstanden sind, beherrscht es den luftigen Umraum.
Was ist Luft? Ein Gasgemisch, ein Naturphänomen, das vielleicht wissenschaftlich und statistisch erfassbar ist. Eine durchschnittliche Zusammensetzung aus verschiedenen lebensnotwendigen und schädlichen Gasen. Ist lebensgefährliches Gas auch Luft, fragen wir uns.
Wir können sagen irgendwo herrscht schlechte Luft, dünne Luft oder ungesunde Luft. Wie bei vielen komplexen Bedeutungen ist eine Klassifikation auf gradueller Basis empfohlen. Gasgemische, die einen bestimmten lebensnotendigen Sauerstoffanteil nicht aufweisen, sind nicht mehr als Luft oder nur mehr als lebensgefährliche Luft zu bezeichnen, oder besser noch als gefährliches Gasgemisch vielleicht zu dünne Luft. Und so weiter.
Die den göttlichen Pneu eigeatmet habenden rechtgläubigen Christen nennt man auch Pneumatiker. Die christliche Weltsicht ist für Bretls Rauminstallation nicht Voraussetztung. Seine Formgebungen entstehen durch Naturbeobachtungen ohne klerikalen Hintergedanken. Trotzdem beziehen sie einen historischen Entwicklungsprozess mit ein, dessen Manifestation in der Verwendung von „modernen” Materialien zum Ausdruck kommt. Hätte Bretl seine Figur aus Stein verfertigt, wäre sie schon viel weniger luftig - aber das nur am Rande.
Seine Materialwahl ist ein Bekenntnis zur modernen Industriegesellschaft und deren Hervorbringungen. Auch mit industriell hergestellten Gütern lässt sich trefflich spielen und die Verschwendungssucht nimmt - weit weniger gefährlich als immer verteufelt - schöne, produktive Wege ein. Bretl nimmt sich die Freiheit, kauft sich ein paar Rollen Paketklebeband im Sonderangebot und bastelt in seiner Freizeit.
Die sich entwickelnden Formen sind zwar in ihrer momentanen physischen Erscheinung beschränkt, können aber unendlich weiterwachsen. Der Prozess des Einpackens und Umklebens ist noch lange nicht abgeschlossen. So gesehen, wächst Bretls Objekt solange Klebeband produziert wird und in Zukunft mit dem Material, das dann zur Verpackung verwendet wird.
Werden und Vergehen, Entstehung und Entwicklung kommen auch im Formen­reportoire, im Rhythmus der Plastik zum Ausdruck.
Der nicht enden wollende Schall aus dem Objekt verstärkt den Eindruck.
Der Mensch als Hauptthema des Menschen bestimmt die Relationen.
Der Raum - als vom Menschen dauernd umzugestaltendes Medium - wird
wenigstens global gedacht.
Auch wenn die hier sichtbare Arbeit in einem geschlossenen Innenraum stattfindet, hat sie doch schon Transporte hinter sich. Die Mühen, die Kosten, der Energieaufwand sind beträchtlich. Der Gestaltungswille muss sehr stark sein, um solches hervorzubringen. Herbert Pendler 2009

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