10. Februar 2012

Lesung des Schriftsellers Max Scharnigg, München

Freitag 10.02.2012, Beginn 19:30 Uhr

Max Scharnigg, Jahrgang 1980, arbeitet als Journalist und Autor. Er gehört zur Redaktion von jetzt.de, dem Jugendmagazin der Süddeutschen Zeitung, und schreibt unter anderem für AD, Cosmopolitan und SZ-Magazin. Seine Hauptsatz-Kolumne, die in der Süddeutschen Zeitung erscheint, liegt unter dem Titel "Das habe ich jetzt akustisch nicht verstanden" seit kurzem in Buchform vor. "Die Besteigung der Eigernordwand" ist sein Romandebüt, für das er das Literaturstipendium der Landeshauptstadt München erhielt und für den Ingeborg-Bachmann-Preis nominiert war. Max Scharnigg lebt in München.

"Die Besteigung der Eigernordwand"
Wenn das Treppenhaus Welt wird …
Was ist zu tun, wenn vor der eigenen Wohnungstür ein fremdes Paar Herrenschuhe steht? Wenn man von drinnen seine Freundin und eine unbekannte Männerstimme hört? Der Journalist Nikol Nanz macht das, was er am besten kann: Er übt sich im Rückzug und richtet sich erstmal häuslich unter der Treppe ein. In seinem Versteck unter der Treppe hofft Nikol ungestört an einem Text über die Erstbesteigung der Eiger-Nordwand schreiben zu können. Aber die Arbeit gerät bald ins Stocken. Das liegt nicht nur an den ungelösten Rätseln um seine Freundin, mit der ihn bis dahin eine herrlich abgeschiedene Liebe verband. Es liegt auch am alten Schmuskatz, dem ehemaligen Gletscherfotografen und Bergkristallverkäufer, der ihn in seinem Versteck aufstöbert und zum Essen einlädt. Gemeinsam versuchen sie, die Trampelpfade einer Liebe nachzugehen und Nikol zurück in den zweiten Stock zu bringen. Max Scharnigg lockt den Leser in eine verzauberte Wunderkammer und führt ihn auf verschlungenen Wegen die Eiger-Nordwand und schließlich auch das Treppenhaus hinauf.

"Das habe ich jetzt akustisch nicht verstanden"
Jede Generation hat ihre Sätze, ohne die sie nicht auskommt – und die gleichzeitig fast alles über sie verraten. Max Scharnigg hat genau hingehört und die 100 wichtigsten Sätze ausgesucht, die uns in Alltagsgesprächen, auf Partys, in Zugabteilen und Büros ständig begegnen. Wer wissen will, welche Sätze heute für ein ganzes Leben reichen, der ist hier genau richtig.

Foto: Christina Maria Oswald 

Ein Denkmal für die Hauptsätze
Am 10. Februar liest SZ-Journalist Max Scharnigg im Luftmuseum / Ein Telefoninterview - Peter Geiger, Der neue Tag Weiden, 9.2.2012

 
Amberg. Wenn man über den SZ-Journalisten Max Scharnigg recherchiert, stellt man zunächst wenig Auffälliges fest: Im Hauptberuf ist der 31-jährige Münchener Journalist bei der "Süddeutschen Zeitung", und im Nebenberuf schreibt er Bücher. Schürft man tiefer, so zeichnen sich aber die Konturen eines außergewöhnlichen, vielleicht sogar etwas wunderlichen Menschen ab: Sein erstes Buch hat er über Hotels geschrieben, weil er "passionierter Hotelgast" ist. Dann hat er mit "Das habe ich jetzt akustisch nicht verstanden" einen (im Vertrauen gesagt: ziemlich originellen und rasant witzigen) Reader über die 100 wichtigsten (und deshalb: nicht mehr sagbaren) Sätze seiner Generation vorgelegt. Und bei der letztjährigen Lesung aus seinem Romandebüt "Die Besteigung der Eigernordwand" beim Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt bezeichnete ein Jurymitglied seinen Beitrag als "Paprikahendl"! Obendrein wurde er kürzlich mit dem Bayerischen Kunstförderpreis sowie mit dem dem Mara-Cassens-Preis ausgezeichnet. Wir haben mit Max Scharnigg telefoniert.
 
Der neue Tag: Hallo, Max Scharnigg! Sie sind ja Spezialist für Formulierungen, die so abgenudelt sind, dass man sie eigentlich gar nicht mehr benutzen darf. Haben Sie einen Tipp für uns: Welche Journalisten-Einstiegsfrage ist absolut verboten?
 
Max Scharnigg: Viel zu oft gehört ist natürlich: Wie sind Sie überhaupt auf die Idee zu XY gekommen? Danach kommt dann gleich die Frage nach dem Autobiographischen, als ob das irgendwas verändern würde, wenn ich sage: Das Buch ist zu genau 34 Prozent autobiographisch. Was auch seltsam ist: Damit anzufangen, man habe zwar das Buch nicht gelesen, aber …
 
Der neue Tag: Okay, ich hätte zu bieten: Welcher Beruf steht in Ihrer Steuererklärung? Journalist oder Schriftsteller?
 
Max Scharnigg: Es steht sicher Journalist in meiner Steuererklärung, weil das ja der Beruf ist, mit dem ich vor allem mein Geld verdiene. Später wünsche ich mir, da sollte vielleicht mal "Publizist" stehen: Das ist eine schöne Berufsbezeichnung, um in die Annalen einzugehen.
 
Der neue Tag: Wann hat das bei Ihnen angefangen: Sprache so präzise zu beobachten?
 
Max Scharnigg: Das ist eigentlich eine Begleiterscheinung des journalistischen Daseins. Man wird ja schon während der Ausbildung darauf trainiert, Floskeln und andere sprachliche Konfektionsware zu vermeiden. Daher kommen dann auch eine gewisse Grundsorgfalt und das Aufmerksamwerden auf Sätze, die es in unserer Alltagssprache ganz oft gibt. Ich will diese Häufung auch gar nicht kritisieren - ich will diese Lieblingssätze der Menschen sammeln und würdigen. Auf die Idee bin ich gekommen, weil ich bei jeder Heimfahrt mit der S-Bahn den Satz: "Ich sitze ja eh den ganzen Tag!" höre. Wenn etwas so populär ist, muss man ihm vielleicht mal ein kleines Denkmal errichten, dachte ich und das versuche ich mit dieser Kolumne. Bis jetzt sind darin schon 130 solcher Hauptsätze besprochen.
 
Der neue Tag: In Ihrem Roman erzählen Sie die Geschichte eines Mannes, der vor dem Leben flieht, indem er sich unter einer Treppe zurückzieht. Warum das denn?
 
Max Scharnigg: Was der macht, dieser Protagonist, das ist eigentlich etwas ziemlich Menschliches: Nach einem Schockerlebnis zieht er sich zurück in eine Art Höhle und versucht in Ruhe Ordnung in sein Betroffensein und die ganze Situation zu bringen. Ich halte das für nachvollziehbar, ja, ich ertappe mich selbst auch dabei, dass mir oft erst nach einer gewissen Zeit die passende Reaktion oder die beste Antwort auf irgendeine Situation einfällt.
 
Der neue Tag: Die Sache mit dem Paprikahendl müssen Sie uns noch erklären!
 
Max Scharnigg: Naja, das Paprikahendl, das spielt zum einen eine Rolle in meinem Roman, eine der Figuren isst nämlich nichts anderes als Paprikahendl. Paul Jandl glaub' ich war's, der hat in Klagenfurt gesagt, es sei wohl das einzige Paprikahendl überhaupt, das in der Literatur vorkäme. Mir gefällt das Wort einfach gut. Wie viele andere Ausdrücke in der Sprache, die ich bei diesem Roman benützt habe, ist es ein sehr sinnlicher Begriff, ein Wort, das man auch auf der Zunge fühlen kann, das Wärme verbreitet. Ganz anders als etwa die "Eiger-Nordwand", die schon im Wort das Ausgesetzte und das Eisige transportiert. Paprikahendl, das klingt einfach rund und gemütlich.
 
Der neue Tag: Und jetzt kommen Sie nach Amberg - schon mal da gewesen?
 
Max Scharnigg: Nein, ich weiß aber, dass Eckhard Henscheid da her kommt, und deshalb allein schon hat dieser Ort seine Daseinsberechtigung …
 
Der neue Tag: Worauf dürfen sich die Besucher denn freuen?
 
Max Scharnigg: Es wird, so hoffe ich, vor allem deswegen interessant, weil es zwei Seiten meiner Arbeit zu erleben gibt: Zunächst ein Stück aus dem Roman, der eher hermetisch und auf eine ernsthafte Art skurril ist und dann, nach der Pause, Texte aus der Kolumnensammlung mit den wichtigsten Sätzen. Da fühlt sich meist jeder Zuhörer irgendwann ertappt - oder kann selber noch einen Satz beisteuern. Ich freue mich schon auf die Interaktion!

 

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