08 Juni 2007 bis 21 September 2007

Finnische Luftreifenzeichnungen

"BURNOUTS" aus Nykarleby/Finnland von Albert Braun - Fotoarbeiten

Die Ausstellung wurde unterstützt durch "Arts Council of Finland" und "Svensk-Österbottniska Samfundet, Finland"

Seltsame schwarze Kreise auf dem Nykarlebyer Asphalt, auf dem Asphalt und keinesfalls Zirkel im Kornfeld. In Nykarleby steht nämlich die taghelle Sommernacht für den mystischen Einschlag, der Menschenschlag an der finnischen Westküste ist handfest realistisch und relativ immun gegen alles New-Age-Getue.

Dennoch bleibt die Frage des Warum? Warum begibt sich die motorisierte Jugend (Der typische Nykarlebyer Luftreifenzeichner ist ein 20jähriger Farmersohn mit mittlerem Schulabschluss, der seine Heimatstadt wahrscheinlich niemals verlassen wird.) in den hellen Sommernächten auf die Straßen und Parkplätze um ihre Kreise zu drehen und auf dem Asphalt zu verewigen? Weil es verboten ist! Weil sie Lust dazu haben! Und weil sie die Autos dazu haben und es sonst nichts anderes zu tun gibt. Die Spannung ist groß und die Gefahr entdeckt zu werden gering. Nykarleby ist seit einiger Zeit ohne Polizei, der nächste Posten befindet sich im 20 Kilometer entfernten Jakobstad.

Gleichzeitig ist es auch eine ureigene Art des taggings. Die Jugend von Nykarleby schreibt nicht mit einem Edding auf sowieso nicht vorhandene Betonwände, sondern radiert ihre tags auf den sommerwarmen und –weichen Asphalt. Der Straßenbelag ist ihre bevorzugte Unterlage und der BMW ihr Edding. Merke: Die Einwohner von Nykarleby radieren ihre ruralen tags ausschließlich mit PS-starken Boliden der Bayrischen Motorenwerke. In den Nachbarstädten bevorzugt man aufgemotzte Achtzylinder amerikanischer Bauart. Die Vorliebe der Nykarlebyer für den BMW als Schreibwerkzeug trägt ihnen natürlich den Vorwurf des Snobismus ein. Aber: Ist der Ruf einst ruiniert, lebt sich völlig ungeniert.

So dreht sie sich also im Kreise, die motorisierte rurale jeunesse dorée. Und hinterlässt einen anonymen und vergänglichen Abdruck auf den unbeschriebenen Wegen ihrer Jugend in bakom takana, der finnlandschwedischen Partnerstadt von Hintertupfingen. Ja, die Gesetze sind streng auf den nächtlichen Straßen in Nykarleby. Die noch zu jungen Jungs (It’s a mans world!) üben die Kunst des Pneuzeichnens mit ihren Mopeds, fahren mit dem aufgemotzten (sic!) Traktor ihres Vaters zum date auf den Marktplatz oder sitzen auf der Rückbank im BMW ihres Bruders und drehen so ihre ersten Runden. Gaturally nennt sich das abgeguckte amerikanische Phänomen des cruising in Nykarleby.

Das alles erkannte auch der deutsch-finnische Künstler Albert Braun, als es ihn aus der deutschen Metropole Berlin aufs finnische Land verschlug. Die Spuren auf dem Asphalt interessierten und faszinierten ihn. Uns so begann er eines Morgens damit, die Zeugen des nächtlichen Unwesens mit dem Photoapparat zu dokumentieren. Er sah in den Kreisen, Zirkeln und Strichen mehr als nur abgebranntes Gummi auf Asphalt. Er sah eine Symbiose: eine Symbiose zwischen Jung und Alt und Stadt und Land. Ihr oftmals nächtliches Zutagetreten, so noch einmal Brassaï, bekundet nichts anderes, als dass das gebrochene Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur einmal mehr von der Kunst zurückgewonnen wurde. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Peter Lüttge. Kulturredakteur beim staatl. finnischen Fernsehen Yleisradio

www.albert-braun.net

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