28 September 2007 bis 12 Januar 2008

Haus des Windes

von Shima Jahangiri Esfahani

Ausstellungseröffnung: Samstag 29.9. um 19 Uhr
Einführung: Prof. Rolf D. Ahnesorg

Diplomarbeit der Architektin Shima Jahangiri Esfahani (Iran)
2006, FH Dortmund, Prof. Ahnesorg & Prof. Schmiedeknecht

Architektur im Iran
Eine kurze Übersicht über vernakuläre Bauformen
Aufgrund des in weiten Teilen des Landes verbreiteten Wüstenklimas hat sich die Architektur dieses Landes wie auch in allen anderen Wüstenstaaten auf die Bewältigung von hohen Temperaturen und Temperaturunterschieden ausgeprägt. So spricht man bei der Zonierung von Hausräumen auch von einer Sommer- und einer Winterzone, die je nach Jahreszeit genutzt wird. Dabei handelt es sich bei der Sommerzone um Räume, die zur Kühlung meist an so genannte Kühltürme angeschlossen sind und ausschließlich mit kleinen Fenstern und Öffnungen ausgestattet ist. Eine Winterzone hingegen besticht durch große Öffnungen, die die Wintersonne tief in den Raum hereinlässt. Die Abmessungen der Räume richten sich nach den Holzvorkommen in der Umgebung. Je nach Härte des Holzes können Räume größere oder kleinere Spannweiten aufweisen. Baustoffe sind örtliche Steine, Holz, Lehm und Stroh. Die Abmessungen der raumbildenden Wände sind groß, damit eine möglichst günstige Temperaturamplitudenverschiebung erreicht wird.

Das Prinzip der ’Windtürme’
Als Windtürme bezeichnet man die oben erwähnten Kühltürme, die nach folgendem Prinzip funktionieren: Die trichterförmige Öffnung am oberen Ende eines Turmes richtet sich in die Hauptwindrichtung, sodass der Wind förmlich in den Turm hineingedrückt wird. Schmale Kanäle im Schacht des Turmes erhöhen die Geschwindigkeit des Luftstromes und leiten die
warme Außenluft in den Keller des Gebäudes. Dort befindet sich ein Wasserbecken, welchem sowohl die Funktion des Wasserspeichers, als auch die der Kühlung des Windes zukommt. Je nach Art des Gebäudes kann dieses Becken sehr tief unter der Erde liegen. Nachdem sich der Wind durch das Wasser abgekühlt hat, entweicht dieser wieder über eine Auslassöffnung, um nun das Haus zu kühlen. Ein System von Kanälen leitet die gekühlte Luft an die entsprechenden Stellen. Es entsteht ein Kreislauf, der durch den meist starken Wind angetrieben wird; der Unterdruck durch die Beschleunigung des Windes im Turm dient als Motor dieses Kreislaufs.

Ort des Windes
Ausgangspunkt dieser Arbeit ist die Faszination und die Magie des Windes. Es soll ein Gebäude entstehen, dass sich ausschließlich mit den poetisch-künstlerischen Fähigkeiten dieses Elementes im allgemeinen und seiner unterschiedlichen Wirkungs,- Erscheinungs- und Wahrnehmungsform im engeren Sinne beschäftigt. Durch gezielten Einsatz traditioneller Bauweise und deren Interpretation in heutiger Zeit entsteht in der Abgeschiedenheit der Wüste ein Haus des Windes. Dort soll dem Menschen etwas nahe gebracht werden, was ständig um uns herum ist, aber nur selten sinnlich erfahrbar wird. Absicht ist die sonst leblose Leere zwischen dem gebaut Massiven mit Leben zu füllen und sie zu etwas haptisch Erlebbarem zu machen. Der Wind alleine entscheidet, ob und wie der Betrachter seine Umwelt wahrnimmt. Als geeigneten Rahmen dieses Erlebnisses habe ich einen Ort in der Wüste meines Heimatlandes Iran gewählt. Einen Ort, der, fernab der Zivilisation, die nötige Ruhe und Kontemplation zur intensiven Erfahrung und Auseinandersetzung ermöglicht. Geografisch gesehen befinde ich mich mit meinem Gebäude in der Nähe
der so genannten ’Stadt der 100 Windtürme` im Iran. Bewußt habe ich den Standort des Gebäudes außerhalb des städtischen Kontextes gewählt. Die Konzentration und Auseinandersetzung mit dem Thema stehen im Vordergrund. Um an diesen Ort zu gelangen, muß man aus der lauten Großstadt herausfahren, was bewusst bereits ein erster Teil der von mir beabsichtigten `Prozession` darstellt: nämlich die sukzessive Entfernung von der lärmenden Großstadt hin zu einem kontemplativen Ort in der Stille. Die zweite Station wäre danach ein kleines Dorf , welches in früherer Zeit ein Übernachtungsquartier für Händler auf der Seidenstraße darstellte. Städtebaulich besonders an dieser kleinen Ortschaft ist die nicht gerade hindurchlaufende Hauptstraße,
wie man es eigentlich annehmen könnte. Stattdessen knickt diese am Ortsausgang deutlich ab und führt, an einem Hügel vorbei, aus dem Dorf heraus in die Wüste in Richtung der nächst größeren Stadt. Genau an dieser Knickstelle dieser Straße in diesem kleinen Ort, startet der letzte Teil der `Prozession` bis man das Gebäude erreicht. Entgegengesetzt zu dem Straßenverlauf führt
ein ca 2 km langer Pfad auf das Gebäude zu, das sich dem Betrachter sozusagen als Fluchtpunkt am Ende dieses Weges ankündigt.Flankierende Stelen markieren und dramatisieren den leicht ansteigenden Weg. Mit abnehmender Entfernung zum Gebäude nimmt die Höhe der Stelen zu, bis diese am Gebäude angekommen in die Wand überzugehen scheinen. Als Gegensatz zu den
weich-fließenden, sich ständig verändernden Formen der Wüste, stellt sich das Gebäude dem Betrachter als kubisch-kantiges Gebäude entgegen, das von der Ferne gesehen zu schweben scheint und durch eine Vielzahl von unterschiedlich hohen Türmen an eine kleine Stadt erinnert. Bei näherer Betrachtung zeigt sich eine klare Dreiteilung des Gebäudes in Unter,- Zwischen- und
Oberebene, die durch sogenannte `Windtürme`verbunden sind. Bezogen auf die klimatische Unterteilung traditioneller Häuser in Winter- und Sommerzone, kann man hier von einer vertikalen Umsetzung dieser Zonierung sprechen. Die obere Ebene stellt das Winterhaus dar, die unter der Erde liegende das Sommerhaus. Die Zwischenzone dient als Puffer. Am Gebäude angekommen,
gelangt man über eine Art Turmtreppe in das `Winterhaus`, indem sich die `bespielbaren Räume` befinden. Diese immer gleichen quadratischen Räume werden durch geschickte Stellung der Türme Teil eines ausgeklügelten Belüftungssystems, welches den Wind in die Räume und weiter nach unten in das Sommerhaus transportiert. Die Monotonie und Einfachheit dieser Räume soll die Konzentration ganz auf den Inhalt lenken, nämlich die unterschiedliche Wirkung des Windes bei unterschiedlichen Voraussetzungen in jedem Raum. Eine logisch und klare Abfolge von Aufgang, Durchgang und Abgang ermöglicht eine Art Rundgang durch das Gebäude. Das Sommerhaus in der Erde beherbergt neben weiteren bespielbaren Räumen ein großes Wasserbecken. Dieses
dient in erster Linie zur Kühlung der durch die Türme einströmenden Luft, die durch stets herrschenden Überdruck an entsprechender Stelle wieder ausgelassen wird. Somit hat man auch in der scheinbar windstillen Geborgenheit der Erde eine Erfahrung mit dem Wind. Auch dies stellt die Anwendung eines uralten Prinzips der Lüftkühlung auf entsprechend neue Zwecke dar.

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